Die Geschichte in Gesichtern
Mein Onkel arbeitete oft nachts. Ich habe ihn nie tagsüber arbeiten gesehen. Immer wenn ich um Mitternacht aufwachte, hörte ich ihn mit Schritten das Zimmer durchmessen. Ab und zu ließ sich auch im Zimmer Kamantsche-Stimmen vernehmen. Er konnte auf der Kamantsche spielen und gar nicht so schlecht. Und gelegentlich veranstalteten wir auch Hauskonzerte. Anvar spielte Klarinette, und Midhat griff zum Tar. Ab und zu war auch Chan Schuschunski dabei. Mein Onkel war ein rücksichtsvoller und selbstloser Mensch. An ein Ereignis erinnere ich mich noch gut: Unter der Last von Wind waren die Leitungsmasten auf der Straße zusammengebrochen, und ich war vom Spannungsüberschlag getroffen. Niemand hatte dem Onkel davon erzählt. Er war zu jener Zeit auf Urlaub in Borjomi. Irgendwie hat er jedoch davon erfahren. Es stellte sich später heraus, dass eine Zeitung in ihrer Ausgabe darüber berichtet hat. Nachdem er es gelesen hatte, kehrte er sofort zurück und tadelte uns deswegen.
„Doch" war sein liebstes Wort. Wenn er uns immer etwas verbieten wollte, sagte er immer: „Das geht doch nicht". Es hat uns sehr gefallen, immer wieder dies Wort zu wiederholen. Es war so üblich, dass selbst einer von uns immer beim Russischsprechen das Wort benutzte. Der Onkel wurde immer sehr wütend darüber, weil er die gemischte Rede nicht aushalten konnte. Er verlangte immer von uns, wir sollten entweder ein reines Russisch oder ein reines Aserbaidschanisch sprechen. Die Redaktion der Zeitschrift «Mollanesreddin» befand sich damals in seiner Wohnung. Wir Kinder halfen beim Verpacken von Zeitschriften. Es machte uns stolz, und wir brüsteten uns mit den Adressen, die wir auf die Verpackungen geschrieben haben. Der Onkel hielt es jedoch für ernsthaft und gab denen auch ein bisschen Geld, die einen besonderen Eifer zeigten. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal mit meinem Onkel nach Zaqatala gefahren war. Der Weg war weit. Mir kam es vor, als ginge er nie zu Ende. Schließlich waren wir angekommen. Ich erinnere mich auch daran, dass wir nicht in einem Hotel sondern bei einer Familie übernachtet hatten. Ich weiß nicht warum, ich war wirklich so müde, dass ich mich nur an die lange Reisefahrt erinnern konnte. Als ich nach etlichen Jahren die Novelle von Mirze Dschelil «Doppelkissen» las, fiel mir sofort unsere Reise nach Zaqatala ein. Die Novelle beginnt mit dem Satz: «Am 23. August wurde mir angekündigt, dass bald die Prüfungen an der Zaqatala-Fachschule beginnen werden. Als ich davon hörte, fuhr ich mit meiner Tochter direkt zum Bahnhof Yevlach»
Die Besitzerin des Hauses habe meinen Onkel, der alt genug war, und das junge Mädchen für Ehepaar gehalten und ihnen ein Ehepaarbett mit Doppelkissen zur Verfügung gestellt. Das war eine damalige Tradition. Und jenes Mädchen in der Novelle war ich.
Frau Pakize erzählte viel von sich und dem berühmten Schriftsteller. Während ich sie hörte, dachte ich nach: Jeder einfache Haushaltsgegenstand und Ereignis hat viele Bedeutungen. Nur die Geschichte enthält in sich wichtige Ereignisse voller Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit aus der Vergangenheit.
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